Zwischen Empowerment und sozialer Kontrolle

Das Selbstverständnis der Professionellen in der Sozialpsychiatrie.

Autor: Ralf Quindel

Ralf Quindel fragte SozialpädagogInnen, PsychologInnen und ÄrztInnen, die in Sozialpsychiatrischen Diensten in Berlin und Bayern arbeiten, nach deren Verständnis von sozialpsychiatrischer Praxis. In den Interviewpassagen werden typische sozialpsychiatrische Alltagssituationen wie Erstkontakt, Hausbesuche, Zwangseinweisungen usw. beschrieben. Die Interviewten berichten, welche Rolle medizinisches oder psychotherapeutisches Fachwissen dabei spielt und welche ethischen oder politischen Utopien sie in ihrem Handeln verfolgen. Der Autor zeigt, auf welche Art und Weise die institutionellen Kontexte und die Beziehungen zu den KlientInnen in den Erzählungen thematisiert werden.
Die Analyse der professionellen Identitätsentwürfe ergibt ein vielfältiges Spektrum, dass sich zwischen den Polen Hilfe (Empowerment) und Kontrolle des störenden Verhaltens der KlientInnen bewegt. Empowerment, so das Ergebnis dieser Untersuchung, lebt von der gesellschaftlichen Anerkennung der Andersartigkeit des Gegenübers. Die Befähigung zu dieser Anerkennung wiederum hängt mit der Vertrautheit, mit den fremden Seiten der eigenen Person zusammen. Professionalität in der Sozialpsychiatrie bedarf demnach einer Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen und der eigenen »Verrücktheit«.

Rezensionen:

Markus Fellner in Sozialpsychiatrische Informationen 1/2007: Angesichts der aufgezeigten institutionellen und psychischen Reichweite der im sozialpsychiatrischen Feld wirksamen Formen sozialer Kontrolle kommt der Autor hierbei zu dem Ergebnis, dass die Reflexion und Verständigung über die in Institution und handelndem Subjekt verankerten Kontrollmechamismen einen notwendigen Bestandteil im Gelingen der vom Empowermentkonzept intendierten dialogischen Begegnungen unter Professionellen und Psychiatrie-Erfahrenen bildet. Mit seiner Studie hat Ralf Quindel hierzu einen wertvollen Beitrag geleistet.

Heiner Keupp in Sozialpsychiatrische Informationen 1/2006: Am Ende meiner Reise durch die Veröffentlichung von Ralf Quindel fühle ich mich ungeheuer bereichert, aber auch an vieles erinnert, was für meine eigene intellektuelle Entwicklung wichtig war. Auch dort, wo Fragen und Widersprüche geblieben sind, war es nie das Gefühl, dass falsche Gräben aufgerissen, fragwürdige Strohmänner abgestraft oder Idealisierungen aufgebaut worden wären. Der Autor hat einen souveränen Überblick über die sozialpsychiatrische Praxis und Theorie vermittelt und gleichzeitig hat er vielfältige Impulse zum Weiterdenken und -forschen gegeben. [url=http://www.psychiatrie.de/bibliothek/buecher/gesellschaft/article/quindel_empowerment_und_soziale_kontrolle.html] Zur vollständigen Besprechung [/url]